Assamblagen

Etikettenschwindel

Etikettenschwindel     

 

Die Assamblagereihe benutzt als zentrales Element die aus Kleidung herausgelösten Etiketten oder „Labels“, um welche sich sowohl affirmative als auch widersprüchliche Bildelemente anordnen, um ein neuzeitliches Phänomen zu umreißen: die Wichtigkeit und die Gewichtung des sogenannten MARKENZEICHENS.

Nähte in meiner Kindheit noch die Großmutter meine Kleidung in Hand- und Nähmaschinenarbeit, - wobei die Rocklänge und die Haltbarkeit des Stoffes die Hauptrolle spielten -, so ist für die Kids unserer Enkelgeneration ein anderes Phänomen der Bekleidung in den Vordergrund getreten: Was ist IN oder OUT, und mit welcher Marke kann ich in meiner „Peer-Group“ Eindruck schinden? Muß ich nicht sogar bestimmte Markenartikel tragen, um überhaupt anerkannt zu werden?

Qualitätsmerkmale wie Wärme- oder Isolierfaktoren, Funktionalität oder individuelle Muster- und Farbvorlieben sind dahinter völlig zurückgedrängt worden, denn man ist nur „in“, wenn das Label stimmt.

Was für die Kids NIKE, PUMA, DIESEL und Co sind, das sind für deren Väter- und Müttergeneration echte LEVIS, oder aber ESCADA, DOLCE+GABBANA, JOOP! und Co.

Und damit alles schön überschaubar bleibt, wird das Label auch schon mal außen auf Brust, Kragen oder Armrevers genäht: die Kleidung ist nichts, das Label ist alles. Weshalb in den Schwellenländern Labels fleißig kopiert und in Billigware eingenäht werden.

Wer beim Etikettenschwindel nicht mitmacht, ist bei etlichen Kids ein „Prol“, ein „Assi“, oder es kommt noch schlimmer: ein NoName wird dem Nobody gleichgesetzt.

Die Diskussion um die Wiedereinführung der Schul-Uniformen hat hierin ihren Ausgangspunkt gefunden.

Dieses: „Ich bin, was mein Label ist“ will meine Assamblagereihe aufgreifen. So sind echte, aus Kleidungsstücken entnommene Etiketten Ausgangspunkt der Serie: Das Riesen-Label von BOGNER aus der Serie FIRE AND ICE zeigt schon aufgrund seiner enormen Größe, wie wichtig es sich nimmt. Und die vielfarbigen HOLOTEX-Labels einer Firma von Holografie-

Regenjacken zeigt, dass die Marke sich genauso wertvoll präsentieren will wie ihren gleichnamigen Holografie-Stoffdruck. Billigmarken nennen sich hochtrabend TENDENZA, GALLERY, ADVANTAGE oder MIRAGE, imponieren mit starken Männern als BAD BOYS oder machtvollen Falken-Symbolen. Mehr Scheinen als Sein ist das zeit-geistige Motto. Beim Heraustrennen der Etiketten erweist sich, dass die Nähte des Labels stärker konstruiert sind als die des zugehörigen Kleidungsstückes.

Rund um die Labels ordnete ich Fotos meiner Großväter-Generation in ihren handgenähten Bekleidungsstücken an; hier bestimmte die Haltung der Person und die Qualität ihrer Aufmachung noch das Abbild. Die Hinzufügung von mit ausgewählter Herrscherpaare auf eingeklebten Briefmarken kann einen erweiterten Aspekt von „Etikettenschwindel“ enttarnen: Familienbilder ex-regierender Monarchenclans offenbaren, dass ein sich unrechtmäßiges Aneignen eines Personen-Labels auch auf ganz anderer Ebene stattfand und bis heute Bestand hat, denn immer wieder haben im Lauf der Geschichte machtvolle „Warlords“ sich eines Landes bemächtigt und dann ihre „Marke“ als „gottgegeben“ vertreten. Etikettenschwindel gibt es also nicht nur bei unserer zweiten Haut, sondern im gesamten Zusammenleben der Gemeinschaft unserer „Spezies homo sapiens“.

So steht diese Serie dem Etikettenschwindel jedweder Art gegenüber und schärft das Auge für die Wahrnehmung dessen, wofür wir eigentlich geschaffen sind: das Leben in Singularität und Originalität als Individuum mit einem Wert, der aus sich selbst heraus besteht.

Die nahezu symmetrische Anordnung der zunächst collagierten Stoff-, Papier und Objektteile wurden mit dreifädig-melangefarbenen Garnen überstickt, das Garn dabei stellenweise gezwirnt, so dass innerhalb der langen Stichlinien Farbwechsel entstehen. Die Garnfarben greifen einerseits die Hauptfarbfarbtöne der Collageteile auf, bilden aber auch ein irritierendes Gespinstgefüge zwischen den „Handlungsteilen.